Aus dem Projekt

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Kraków 2:
Nowohuckie Centrum Kultury:
Das durch seine Außen- wie Innenarchitektur imposant wirkende Gebäude des Nowohuckie Centrum Kultury/ Kulturzentrums Nowa Huta ist im gleichnamigen Krakauer Stadteil gelegen. Nowa Huta prägt bis heute ihr architektonisches Erbe als eine kommunistische Planstadt, vergleichbar mit Eisenhüttenstadt. Erbaut in der Stalinzeit um das bis 1954 errichtete größte Eisenhüttenkombinat des Landes – Huta im. Lenina/ Lenin-Stahlwerke – als ein neues Arbeiter*innenzentrum in der Nähe des katholisch-konservativen und das neue System ablehnenden Krakóws. Entworfen im Stil des Sozialistischen Klassizismus, war die Planstadt das Objekt einer großen Propagandakampagne, die das riesige Kombinat als Erfolg der Planwirtschaft und als Ergebnis der unerschütterlichen Freundschaft mit der Sowjetunion symbolisieren sollte. Der Grundriss der Stadt mit fünf von einem zentralen Platz ausstrahlenden Hauptalleen rief allerdings Analogien des stalinistischen Baugestus mit der fürstlichen Repräsentation des Absolutismus hervor und sollte die alte königliche Stadt Kraków in den Schatten stellen. Ideologisch war damit eine Konfliktachse zwischen dem intellektuellen Kraków und dem Arbeiter*innenvolk in Nowa Huta beabsichtigt.

In der Abteilung für Fotografie und Film des Nowohuckie Centrum Kultury (kurz: NCK) befindet sich das Archiv des AKF „Nowa Huta“. Über zwei Jahrzehnte hatte der Amateurfilmklub seine Arbeitsstätte im Zakładowy Dom Kultury Huty im. Lenina (kurz: ZDK HiL)/ Betriebskulturhaus der Lenin-Stahlwerke; seit 1990 umbenannt in Dom Kultury im. Cypriana Norwida/ Kulturhaus Cyprian Norwid. Angesiedelt im Klub Młodych/ Jugendklub in der Osiedle Młodości/ Siedlung der Jugend, wo er sich die Arbeitsräume mit dem Amatorski Klub Fotografików/ Fotoamateurklub teilte. Für kurze Zeit war er dann vorübergehend im ZDK HiL in der Majakowski-Strasse untergebracht, bis man die beiden Klubs in einer Abteilung zusammengeführt und ihren Sitz 1983 in das neue NCK verlegt hat.

Während der AKF „Nowa Huta“ nicht mehr existiert, arbeiten die beiden Fotografie-Instrukteure Adam Gryczyński und Anna Bobula nach wie vor in der Abteilung für Fotografie und Film des NCK, in der auch das Archiv aufbewahrt wird. Margarete Wach konnte mit Cäcilia Wosnitzka (WBH) mehrere Tage lang eine umfassende Recherche in dem Archiv des AKF „Nowa Huta“ durchführen, die mehrere Dutzend Fotografien, Filmnegative, Entwürfe und fertigegestellte Drehbücher zu Animationsfilmen, über 100 Filmkopien, Festival-Dokumentationen, Kursbücher, Klubchroniken, Diplome und Preise, Mitgliederlisten u.s.w. umfasste.

Gegründet worden ist AKF Nowa Huta“ im Herbst 1958 von den Fotografen Witold Michalik und Władysław Wolak. In den dreißig Jahren seines Bestehens erwarb sich der Klub ein hohes Renommee und hat sich als einer der wichtigsten Amateurfilmklubs des Landes etabliert. Zwischen 1958-1990 wurden insgesamt 200 Filme gedreht, die 94 Preise und Auszeichnungen bei nationalen und 11 bei internationalen Wettbewerben und Festivals erhielten, darunter im UNICA-Wettbewerb (Weltverband der Filmamateure) eine Silbermedaille für „Zielone słońce” (Grüne Sonne, 1973) von Jerzy Ridan und zwei Bronzemedaillen für „Niezastrzeżone prawa” (Nicht vorbehaltene Rechte, 1960) von Jerzy Kaszycki, Krzysztof Konarzewski und Ryszard Zawidowski sowie „Wspomnienie” (Erinnerung, 1965) von Krzysztof Kwinta und Maciej Korus. Unter den Amateurfilmklubs, die wie AKF „Muza“ (Konin), AKFs „Groteska“ und „Alchemik“ (Kędzierzyn-Koźle) oder AKF „Chemik“ (Oświęcim) im Umfeld großer industrieller Kombinate agierten, von denen sie alimentiert wurden, gelang es in Nowa Huta neben den damit verbundenen Pflichtübungen ein breites Spektrum an Filmgattungen zu entwickeln: Spiel-, Dokumentar-, Animations- und Experimentalfilme im Modus des künstlerischen Autorenfilms. Darüber hinaus gelang es viele begabte Filmenthusiasten an den Klub zu binden, die hier ihre ersten Filme drehten und sich dann durch Studium oder TV-Arbeit professionalisierten.

AKF „Nowa Huta“ verwandelte sich schnell in eine Schmiede für die Personalkader des polnischen Films und des öffentlichen Fernsehens. Hier entstanden die ersten Filme von: Krzysztof Zanussi, Andrzej Trzos-Rastawiecki, Artur Janicki, Jerzy Ridan, Wincenty Ronisz, Krzysztof Kwinta, Grzegorz Kwinta, Tomasz Dettloff, Krzysztof Konarzewski, Ryszard Zawidowski, Maciej Braunstein, Adam Głąbiński, Tadeusz Metz.

Durch den räumlichen Zusammenschluss von Fotografie und Film profitierten die Klubmitglieder von der Kooperation der beiden Klubs. Als Fotografie-Instrukteur machte Adam Gryczyński auch wichtige und preisgekrönte Filme im AKF „Nowa Huta“ und zeichnete 1987 verantwortlich für die Ausrichtung des Polnischen Amateurfilm-Wettbewerbs OKFA durch den Klub. AKF „Nowa Huta“ verfügte zeitweilig über zwei Instrukteur*innen: Alicja Zawadzka als künstlerische Betreuerin und Krzysztof Szafraniec als technischer Betreuer. Bis zur Schließung des Klubs in dem Wendejahr 1990 erfüllte diese Funktion noch Marek Norek. Ein Alleinstellungsmerkmal von AKF „Nowa Huta“ war sein Drehbuch-Wettbewerb für Filmamateure*innen aus ganz Polen, der mit drei abgestuften Geldpreisen die Förderung von interessanten Projekten ermöglichte.

Im NCK-Archiv des AKF „Nowa Huta“ befinden sich auch drei Schränke mit Dutzenden von Filmkopien, die in einem Katalog alphabetisch inventarisiert sind. Leider sind bis jetzt nur 25 von ihnen digitalisiert worden, so dass es einer mehrwöchigen Sichtung bedürfte, um sie alle gesehen zu haben.

Bei ihrem Besuch Anfang Dezember 2021 konnte Dr. Wach mehrere Gespräche mit Adam Gryczyński führen und erfuhr von zwei weiteren Zeitzeuginnen, die zu befragen wären: Alicja Zawadzka, die in den 1980ern nach Paris emigriert ist, und Lucyna Lubańska. Die Interviews mit ihnen werden noch per Skype nachgeholt, zumal sie auch eine Frauenperspektive auf die Filmamateurbewegung einbringen können.


Bielsko-Biała:
Dom Kultury Włókniarzy: Im Süden Polens, unweit der tschechischen und slowakischen Grenze liegt Bielsko-Biała, einst ein bedeutendes Industriezentrum, bekannt vor allem wegen seiner Textilindustrie, in dem aber auch eine Auto- (Fiat 126p) und Segelflugzeugfabrik sowie Maschinenbau angesiedelt waren. Zum Wahrzeichen der Stadt entwickelte sich seit 1947 das Studio Filmów Rysunkowych Bielsko-Biała/ Studio für Zeichentrickfilme Bielsko-Biała, in dem u.a. die Welthit-Serie „Bolek i Lolek“ entstand. Internationales Ansehen genießt auch das Teatr Lalek Banialuka/ Puppentheater Banialuka, das seit 1966 ein Internationales Festival für Puppenkunst ausrichtet. Im Dom Kultury Włókniarzy/ Kulturhaus der Textilarbeiter war seit Anfang der 1960er Jahre der AKF „Bielsko“ untergebracht, einer der wichtigsten und produktivsten Amateurfilmklubs in der Volksrepublik Polen.  

Zu den Instrukteuren des Klubs gehörten von Anfang an Henryk Urbańczyk, Marian Koim und Oktawian Fedak, die alle nicht mehr am Leben sind. Seinen Durchbruch feierte der Klub 1964 bei dem 12. Polnischen Amateurfilm-Wettbewerb OKFA in Lublin, als der AKF „Bielsko“ den Großen Preis des Festivals für seine Gruppenleistung bekam und mit „Romanza ludzika“ (Die Romanze eines Menschleins, 1964) von Jan Habarta und Marian Koim den Wettbewerb für Animationsfilme gewann. In den folgenden drei Dekaden füllten vor allem Dokumentar- und Animationsfilme aus Bielsko-Biała die Preislisten der beiden wichtigsten polnischen Amateurfilmfestivals „OKFA“ (für 16mm) und „POL-8“ (für 8mm) und verzeichneten ebenfalls Erfolge im Ausland.

Es gelang Dr. Wach Krzysztof Korzonkiewicz ausfindig zu machen und mit ihm ein Interview zu führen. Korzonkiewicz produzierte mit seinem früh verstorbenen Bruder Wiesław Korzonkiewicz oder im Alleingang in den 1970er und 1980er Jahren einige wichtige und preisgekrönte Animationsfilme. Barbara Łoboda vom Puppentheater Banialuka, die 1978-1979 auch Instrukteurin des Klubs war, realisierte einige Filme, etwa „Panta rei“ (1981), zusammen mit Henryk Urbańczyk, der wohl der produktivste und am meisten mit Preisen dekorierte Instrukteur in der Geschichte des Klubs war. Aus den Beständen vom AKF „Bielsko“ im DK Włókniarzy wurden vor einiger Zeit Kopien von über 100 Filmen digitalisiert und werden gerade sukzessiv auf dem lokalen Portal „Bielski Almanach“ öffentlich zugänglich gemacht.

Dank des Entgegenkommens der Direktorin des Dom Kultury Włókniarzy, Barbara Jacyków, konnte Margarete Wach, abermals in Begleitung von Filip Jacobson, über mehrere Tage eine breit angelegte Recherche im Archiv des AKF „Bielsko-Biała“ durchführen, das noch an die 110 Filmkopien, hunderte von Fotos und Diplomen für gewonnene Preise, Plakate, Unterrichts- und Kursbücher sowie detaillierte Dokumentationen zu den Ausgaben des „Fazy“-Festivals enthält. Beide Seiten haben verabredet, eine Kooperation zwischen dem Dom Kultury Włókniarzy und der Universität Siegen einzugehen, um die Fotos, das gehobene Archivmaterial und die digitalisierten Filme des Klubs für die Projekt-Homepage und Publikationen nutzen zu können.

Durch die ganze Geschichte des Klubs hinweg bestanden enge Kontakte zwischen AKF „Bielsko“ und dem Studio für Zeichentrickfilme Bielsko-Biała, dessen Chef Adam Hajduk und seine Mitarbeiter zu den Treffen der Kurse für Animationsfilm eingeladen wurden. Marian Cholerek vom Studio für Zeichentrickfilme, der zugleich Mitglied im Klub war, gehörte zu den Ideengebern für das Festiwal Amatorskich Filmów Animowanych „Fazy“/ Festival für Animationsfilme der Amateure „Phasen“, das ab 1973 durch den Klub in Kooperation mit dem Studio ausgerichtet wurde. Diese lokale Nähe und die Zusammenarbeit beider Institutionen machten es möglich, dass nach Bielsko-Biała führende polnische Animatore wie Stanisław Lenartowicz oder Mirosław Kijowicz kamen, um den Festivaljurys vorzusitzen oder Workshops für Animationsfilme zu geben. Bereits Ende der 1970er Jahre besuchten das Festival auch viele auf den Animationsfilm spezialisierte Amateur*innen aus Westeuropa, darunter aus der BRD, der Schweiz und Österreich, sowie aus Südamerika, was die Staatssicherheit auf den Plan rief, die das Festival operativ ins Visier nahm und überwachte.

Dom Kultury in Kozy:
Ende der 1970er Jahre begann im AKF „Bielsko“ auch die „Laufbahn“ von Marek Małecki, der bereits als Teenager zum Animationsfilm fand und mit seinen Arbeiten wie „Blaga“ (Humbug) oder „Dż, dż, dż …“ (1978) schnell bei Filmfestivals reüssierte. Seinen nächsten Autorenfilm „Fotodrama“ (1985) realisierte er als Student der Filmhochschule Łódź unter professionellen Bedingungen in dem renommierten Studio für Animationsfilme „Se-Ma-For“ in Łódź. Nach dem Studium wurde er im „Se-Ma-For“ angestellt und konnte nach eigenen Drehbüchern sechs Animationen, u.a. „Romanca“ (Romanze, 1986) und „Straszydełko“ (Ungeheuerchen, 1988), umsetzen. Von 1988 bis 1989 war er einer von fünf Regisseur*innen, die die 13-teilige Puppenanimationsserie „Maurycy i Hawranek“ (Moritz und Hawranek, 1987-1990) realisiert haben. Als mit der politischen Wende von 1990 die gesamte Kinematografie ökonomisch wie administrativ, und somit auch die staatlich subventionierten Filmstudios unter die Räder kamen, kehrte er, nicht zuletzt auch aus persönlichen Gründen, nach Bielsko-Biała zurück.

Heute ist Małecki Direktor vom Dom Kultury/ Kulturhaus in Kozy, einem kleinen benachbarten Städtchen im Nordosten von Bielsko-Biała. Dort besuchte ihn Margarete Wach gemeinsam mit Filip Jacobson und befragte ihn zu seiner Zeit im AKF „Bielsko“. Marek Małecki nahm das zum willkommenen Anlass, um final auch sein Amateur-Credo kundzutun: Amateurfilm sei seine Passion, „ich nehme kein Geld, also kann/darf ich alles“ („jestem pasjonatą, nie biorę pieniędzy, wszystko mogę“).


Oświęcim / AKF „Chemik“: AKF „Chemik” ist ein klassisches Beispiel für Amateurfilmklubs im Umfeld großer industrieller Betriebe, ähnlich wie AKF „Muza“ in Konin, AKFs „Groteska“ und „Alchemik“ in Kędzierzyn-Koźle oder AKF „Nowa Huta“ in Kraków. Sein Sitz heute ist zwar im Oświęcimskie Centrum Kultury OCK/ Kulturzentrum Oświęcim, gegründet wurde er aber 1963 von Henryk Lehnert, Marian Żmuda und Marian Koim beim Zakładowy Dom Kultury „Chemik“/ Betriebskulturhaus „Chemiker“, dem Kulturhaus der Zakłady Chemiczne „Oświęcim“/ Chemischen Werke in Oświęcim. Dementsprechend gehörte zu den Aufgaben des Filminstrukteurs im Klub die regelmäßige Herstellung von Kroniki Zakładowe/ Betriebschroniken. Diese filmischen Berichte über damals wichtige Ereignisse oder Veranstaltungen im Betrieb oder in der von ihm dominierten Stadt haben sich sogar als eine filmische Untergattung im Bereich des Industriefilms etabliert. Hunderte von ihnen hat Henryk Lehnert in seiner über 40jährigen Laufbahn hergestellt und dafür ähnlich wie Józef Szyk vom AKF „Muza“ Preise bei den auf Betriebschroniken spezialisierten Amateurfilmfestivals erhalten. Neben künstlerischen Bildern produziert AKF „Chemik“ bis heute noch Filme, die Ereignisse der Stadtgeschichte dokumentieren, wie Alltags- und Feiertage, wichtige und wegweisende Vorkommnisse sowie Momente der Freude und Emotionen festhalten, die die Einwohner*innen Oświęcims erlebt haben. Jedes Jahr gibt es eine öffentliche Werkeschau eines Jahrgangs. Dort werden die nach Henryk Lehnert benannten „Henryk“-Preise verliehen.

Seit seiner Gründung zählt der Klub 160 aktiv Mitglieder und es entstanden ca. 500 Filme. Davon sehr viele von Henryk Lehnert, der mit seiner „technika szarpana“ (ruckartige Zupftechnik durch das blitzschnelle Stoppen und Anmachen der Kamera mit dem Effekt permanenter Jump Cuts) unzählige Kurzfilme produziert hat, die wiederum zum Aushängeschild des Klubs wurden und eine unüberschaubare Anzahl von Preisen eingesammelt haben. Als 1971 „OKFA“, der wichtigste, alljährlich seinen Standort wechselnde Amateurfilm-Wettbewerb des Landes, in Oświęcim ausgetragen wurde, ging der Grand Prix an den Film „Gdzieś w Polsce“ (Irgendwo in Polen) von Marian Żmuda. Seit 1985 richtet man hier auch das Amateurfilmfestival „Kochać człowieka“/ “Den Menschen lieben“ aus, das bis heute als ein internationales Festival besteht.

Leider leben die wichtigsten Zeitzeugen wie Henryk Lehnert bereits nicht mehr. Bei ihrem Besuch im AKF „Chemik“ unterhielt sich Margarete Wach dafür mit dem heutigen Instrukteur Bartosz Gajda, der ihr einen Einblick in die Klubchronik verschaffte und die aufbewahrten Equipment-Exponate zeigte.

Ein gesondertes Thema bildet das Filmarchiv von AKF „Chemik“, das in zwei großen Schränken an die 500 Kopien mit 8mm und 16mm Filmen aufweist. Etwa zwei Dutzend von ihnen liegen als digitalisierte Dateien vor, der Rest harrt noch seiner Konservierung und Aufarbeitung.


Wrocław: Nach Warszawa setzte Margarete Wach ihre Forschungsreise in Begleitung von Cäcilia Wosnitzka (WHB) in Wrocław fort. Die Hauptstadt von Niederschlesien verfügte zum Untersuchungszeitraum über mehrere Amateurfilmklubs. Den ältesten, AKF „Wrocław” im Wojewódzki Dom Kultury/ Landeskulturhaus, führte seit 1957 Józef Milka, der 1965 in Polanica Zdrój das zuerst polnische, später internationale 8mm-Amateurfilmfestival „POL-8“ gründete. Ab 1969 fungierte Milka auch als langjähriger Vorsitzender des Verbandes der Amateurfilmklubs FAKF. Die Wende von 1989 haben AKF „NOT“, AKF „Fosa“ und AKF „Pałacyk“ überstanden, bis heute aktiv geblieben ist AKRF „Fosa“.

AKF/AKRF „Fosa“:
Akademicki Klub Realizatorów Filmowych/ Akademischer Klub der Filmrealisateure, wie heute AKF „Fosa” heißt, kurz AKRF „Fosa”, besteht als eine kulturelle Agenda von Politechnika Wrocławska/ der Technischen Hochschule Wrocław seit 1978 und war die Nachfolge-Einrichtung des von 1974 bis 1978 existierenden AKF „Rysa“/ AKF „Kratzer“. Im Laufe seiner Geschichte hat der Klub seinen Sitz gewechselt, heute ist er im Studentenheim der TU Wrocław in Górnicka-Str. 22 zu finden.  Den Wassergraben, so der Name Fosa auf deutsch, haben in den über 40 Jahren seines Bestehens hunderte von Studenten, Einwohnern von Wrocław und andere passiert. Ein Dutzend arbeitet jetzt in der Medienbranche vorwiegend als Filmregisseure, darunter Jarosław Marszewski, Wojciech Majewski, Wojciech Wójcik, Zbigniew Trzciński oder wie Witold Świętnicki auch als Fernsehproduzent. „Fosa“-Filme haben wichtige Preise gewonnen, u.a. bei „Pol-8“, OKFA (Polnischer Amateurfilm-Wettbewerb) und UNICA (World Independent Film Festival). Seine beiden Instrukteure, Janusz Madera und Janusz Nawojczyk, die den Klub über Jahrzehnte geprägt haben, leben nicht mehr.

Den heutigen Instrukteur des Klubs, Adrian Janisio, der sich für die Erforschung der Klubgeschichte und Erhaltung seines Filmerbes einsetzt, konnte Margarete Wach interviewen und folgte mit Cäcilia Wosnitzka seiner Einladung zum Besuch im Klub. Vor dem Hintergrund anderer AKFs aus der Zeit der Volksrepublik Polen fallen die Arbeiten aus „Fosa“ durch ihre Lakonie, Witz, kritisches Potenzial, Anarchie und experimentalen Geist auf. Während des Besuchs im Klub ergab sich die Gelegenheit, ein Gespräch mit Zbigniew Trzciński zu führen, der von vielen, zum Teil politischen Happenings der Klubmitglieder berichtete und von der Praxis, Filme ohne Film zu machen, d.h. aus Ermangelung an Filmmaterial den bereits konzipierten Film als Happening auf der Straße zu „simulieren“. 1981 hat Trzciński Polen verlassen und studierte von 1981-1988 Filmregie an der Hamburger Hochschule für bildende Künste. Nach der Wende kehrte er nach Wrocław zurück, um ab 1990 zusammen mit Witold Świętnicki, Marek Hamera und Leszek Turowski den ersten privaten Fernsehsender in Polen, PTV Echo, aufzubauen. Er realisierte in der BRD und in Polen auch mehrere Kino- und TV-Filme.

Wie einige andere Mitglieder trat Witold Świętnicki als Architektur-Student der TU Wrocław dem AKF „Fosa“ bei. Innerhalb seiner Strukturen agierte er als Mitbegründer von Zespół Filmowy TORPEDA/ Filmgruppe TORPEDA, der seine Mitstreiter Mariusz Piesiewicz, Jacek Rajewski, Wojciech Wójcik und Leszek Abrachamowicz angehörten. In dieser Zusammensetzung hat er 1984 den 31minütigen Film „KTP“ realisiert, eine Abkürzung für „Kurwa Telewizja Polska“, zu deutsch „Hurre Polnisches Fernsehen“. In der Kulturszene Wrocławs genießt der Film einen legendären Status, weil er während des Kriegszustands gedreht wurde und sich auf Propaganda-Methoden des Polnischen Fernsehens TVP bezog, als hundert Tausende Polen zum Zeitpunkt der Hauptnachrichten um 20Uhr demonstrativ spazieren gingen. Diese dadaistische Persiflage lässt kein System immanentes Tabu aus, von einem Fernseher als eine mit Mühl und skurrilen Materialien bepackte Assemblage à la Tadeusz Kantor, die nicht loszuwerden ist, über groteske Abläufe im TV-Studio und bei Aussendrehs bis zu einer queeren Körper-Performance eines Mannes, bei der alle Hüllen fallen. Als Chefredakteur des ersten Privatsenders PTV Echo setzte Świętnicki unter Beweis, wie man Kontrastprogramm zu einem Staatssender machen kann. Aktuell ist er Inhaber einer Film- und TV-Produktionsfirma, in der wir uns zu einem ausgedehnten Gespräch getroffen haben. Der KTP-Hauptdarsteller, Jacek Rajewski, der später nach Holland emigriert ist, betreibt heute in Amsterdam eine Firma für Kulturmanagement.

Als Mitglied der Filmgruppe TORPEDA und Kameramann bzw. Bild- und Ton-Hersteller partizipierte Wojciech Wójcik im AKF „Fosa“ an den meisten Projekten seiner Kollegen. Sein eigener Kurzfilm „AN 24 Antonov” fiel 1984 der Zensur zum Opfer, weil er sich auf eine sehr lapidare und zugleich anarchistische Weise über die fliegenden Erzeugnisse und die technische Gedankenführung in der Sowjetunion lustig machte. Ein Tabubruch angesichts der propagandistischen Selbstdarstellung der UdSSR im Kalten Krieg als einer technischen Übermacht und Schulpflichtlektüren wie Boris Polewojs Roman „Der wahre Mensch“ über die übermenschlichen Heldentaten eines beinlosen Piloten im Krieg als Symbiose aus Homo Sovieticus und sowjetischer Technik. Die wahre Domäne von Wójcik sind jedoch minimalistische Animations- und Experimentalfilme. Und wie so oft in Wrocław hatte auch er sein Schlüsselerlebnis im Kriegszustand: Als er für die Niezależna Agencja Fotograficzna „Dementi“/ Unabhängige Fotoagentur „Dementi“ mit der Klubkamera eine Dokumentation über die am 31.08.1982 brutal niedergeschlagene „Solidarność“-Demonstration drehte, in der zu sehen ist, wie ein Gefangenentransporter der Polizei den Demonstranten Jarosław Hyka überfährt. Margarete Wach führte mit Wójcik ein intensives Interview, bei dem sie auch gemeinsam seine Filme sichteten.

Obwohl in Wrocław ansässig, fand das Interview mit Janina Matejuk aus terminlichen und logistischen Gründen per Skype statt. In den 1980er Jahren war sie aktiv im AKF „Fosa“, zwei Jahre lang neben Janusz Nawojczyk sogar seine Instrukteurin. Ausserhalb des Klubs realisierte die Autodidaktin 1983 den sehr persönlichen „found footage“-Essayfilm „Fragment biografii“ (Fragment einer Biografie) über die Zeit des Kriegszustands. Eine Collage aus offiziellem Material wie TV-Nachrichten oder Reden von General Wojciech Jaruzelski und privatem Material, etwa eigenen inszenierten oder dokumentarischen Aufnahmen, die Einstellungen und Positionen gegenüber dem Kriegszustand festhalten wie Passivität, Rebellion, Eskapismus, Aktivismus, Protest bei Demonstrationen. 1986 in „Fosa“ folgte ihr Film „Kobieta zmienną jest“ (Die Frau ist wechselhaft). Eine Filmstudie, die der gleichzeitigen Deformation der Bild- und Tonebene gewidmet ist und in einen visuell-auditiven Kontrapunkt mündet. Matejuk gehört zu den wenigen Frauen, denen es gelang, in der männerdominierten Amateurfilmbewegung in Polen konsequent den eigenen Weg zu gehen und mit der technischen Entwicklung Schritt zu halten. Heute produziert sie unter dem Label Studio Nina Matejuk Kultur-, Industrie- und Werbefilme und realisiert eigene Dokumentarfilme.

Zu den mittlerweile bekannten Zöglingen von „Fosa“, der auch von Nina Matejuk betreut wurde, gehört Jarosław Marszewski. An der Wende der 1980er und 1990er Jahre hat er im Klub mehrere auch längere Spielfilme gedreht, die bei Amateurfilmfestivals im In- und Ausland mit höchsten Preisen ausgezeichnet wurden. Anschließend studierte er an der Prager FAMU und an der Kieślowski- Filmhochschule in Katowice Filmregie und zählt heute zu den erfolgreichsten Filmautoren der mittleren Generation. Wie aus einem Gespräch mit Marszewski ersichtlich wurde, bekennt er sich weiter zu seinen Wurzeln im Amateurfilmbereich und zu AKF „Fosa“ als Wiege seines Erfolgs.

AKF „Pałacyk”:
Der Gründer des AKF „Fosa“, Marek Hamera, gründete 1979 zusammen mit Anna Jędryczka-Hamera zudem den Akademicki Klub Filmowy „Pałacyk”/ Akademischer Filmklub „Schlößchen”. Angesiedelt im Palais von Hans Ulrich Graf von Schaffgotsch in der Kościuszki-Str. 34, entwickelte sich der neue Klub schnell zu einem Anziehungspunkt für die Film- und Kunstszene der Stadt. Besondere Rolle spielte dabei die Einrichtung eines Festivals des unabhängigen Films „Film poza kinem“/ „Film jenseits des Kinos“, das vom Programmmacher Leszek Turowski (heute Filmredakteur des Privatsenders POLSAT) als eine geschlossene Veranstaltung deklariert wurde, um der Zensur vorzubeugen. Der Untertitel des Festivals „Przegląd filmu niekomercyjnego“/ “Schau des nichtkommerziellen Films“ definierte das Spektrum der gezeigten Filme zwischen unabhängiger Produktion, hohem ästhetischen Anspruch und kulturpolitischem Underground. Hier konnte man auch Arbeiten von Klub-Mitgliedern sehen, z. B. Marek Hameras „Oczekiwanie“ (Erwartung) über den Bahnarbeiter-Streik im Oktober 1980, „Prezes“ (Vorsitzender, 1983) von Anna Jędryczka, einer ihrer psychologischen Studien von den Rändern der Gesellschaft über Alkoholiker oder Psychiatrie-Insassen, oder „Wielka majówka“ (Großer Maiausflug, 1983) von Leszek Turowski und Mariusz Piesiewicz, eine „respektlose“ Betrachtung der Formelhaftigkeit öffentlicher Veranstaltungen. Das Festival avancierte in den 1980ern nicht nur zu einem Magneten für die „Unangepassten“ unter den organisierten Amateuren (z. B. für Piotr Majdrowicz, AKF „AWA“ in Poznań, oder Jan Janusz Bujak, AKF „im. Andrzeja Munka“ in Sosnowiec), sondern baute auch westliche Kontakte auf, besonders zu den jungen Filmszenen in West-Berlin und Wien. Das Ergebnis dieser Aktivitäten waren eine hohe Präsenz von Filmen der DFFB-Studierenden und österreichischer Experimentalfilmen. Dies begründete den Ruf Wrocławs als Zentrums der unabhängigen Filmkultur in Polen. Margarete Wach unterhielt sich in Wrocław sowohl mit Marek Hamera als auch mit Anna Jędryczka über ihre Zeit im AKF „Pałacyk“.

Dziecięca Wytwórnia Filmowa DWF/ Galeria „Entropia”:
Zu der kulturellen Landschaft Wrocławs gehört seit 1988 die Galeria „Entropia”/ Galerie „Entropia“ von Alicja und Mariusz Jodko. Eine von der Stadt getragene Kulturinstitution in der Rzeźnicza-Str. 4, die nicht nur ein Ausstellungsraum ist, sondern ein Ort verschiedener Initiativen und kreativer Projekte. Außer ihrer Ausstellungstätigkeit widmet sie sich der Kunstvermittlung, organisiert Vorführungen und Filmreihen, Konzerte, Treffen, Workshops, Performances oder Präsentationen der Medienkunst. In diesem Umfeld agiert seit 1988 Dziecięca Wytwórnia Filmowa (DWF)/ Children’s Film Factory, gegründet 1985 von Alicja Jodko als eine unabhängige Form der Filmproduktion. Jodko, vom Hause aus Philosophin, beschäftigt sich neben Buchgrafik, Visuallyrik und Multimedia hauptsächlich mit dem Animationsfilm und gehörte in den 1980er Jahren zum Kreis unabhängiger Amateurfilmer*innen, inklusive der Teilnahme an spezialisierten Amateurfilmfestivals für die Animation wie „Fazy“/ „Phasen“ in Bielsko-Biała. Als künstlerische Betreuerin arbeitete sie mit Jacek Wojtaś, der mit seiner Non-Camera-Animation „Kolaż – kolarz“ (Collage – Radler) 1990 als 12-jähriger den Preis für das beste Debüt bei OKFA und den zweiten Preis der UNICA gewonnen hat. Wojtaś, heute Medienanwalt, führt mittlerweile zusammen mit Jodko deutsch-polnische Werkstätte/ Workshops des Animationsfilms für Jugendliche durch. Außer eines Interviews mit Wojtaś hatte Dr. Wach mehrfach die Gelegenheit, mit Alicja Jodko zu sprechen.

Zum Kreis nicht organisierter Filmamateure in Wrocław gehörten auch Andrzej Lorenc, der im Debüttanten-Wettbewerb des 8mm-Amateurfilmfestivals „POL-8“ 1980 für „Leży i czeka“ (Liegt und wartet) ausgezeichnet wurde, und der Architektur-Student Piotr Sulisz. Mit „Lekcja“ (Lektion) und „Wystawa okropieństw“ (Ausstellung der Abscheulichkeiten) gewann Sulisz denselben Wettbewerb 1987. Als sein Film „Umbra“ 1989 den Grand Prix bekam, ging der Preis an Niezależne Studio Filmowe „Cosina“/ Unabhängiges Filmstudio „Cosina“, also eine autonome Produktionsstätte. Die von der Politik der kommunistischen Machthaber unabhängige Filmproduktion wie die in Wroclaw war Teil der unabhängigen Kultur, die ihre ersten Schritte in den 1970ern unternahm, und parallel zur politisch-gesellschaftlichen Entwicklung der Solidarność-Bewegung 1980–1981 und in den folgenden Jahren an Fahrt aufnahm. Aktivitäten von Produzenten, Regisseuren, Kameraleuten und Journalisten bildeten einen wichtigen Schritt auf dem Weg zum Durchbrechen des Informationsmonopols des Staates.

LCK- Legnica – Julian Zawisza:
An den Werkstätten von Wojtaś und Jodko beteiligt sich Julian Zawisza, Filminstrukteur im Legnickie Centrum Kultury LCK/Liegnitzer Kulturzentrum. Dem Animationsfilm hat er sich seit den 1970er Jahren verschrieben. Auf seine Initiative geht die Legnicka Akademia Filmowa/ Liegnitzer Filmakademie zurück, bei der renommierte Animatore wie Witold Giersz oder Piotr Dumała Workshops abhalten. Seit 1984 leitet er AKF „Laterna Magica“, ein auf den Animationsfilm spezialisierten Amateurfilmklub, der mit der Jugendkunstschule und Festivals in Dresden vernetzt ist. Die Gründung zweier weiterer Klubs gehen zudem auf Zawiszas Initiative zurück: AKF „Akt“ in Legnica und AKF „Mini-Film“ in Prochowice. 1993-1994 engagierte sich Zawisza als Direktor des Festivals „POL-8“. Hier gelang ihm 1990 ein dreifacher Erfolg: Sein Film „Szalona lokomotywa“ (Verrückte Lokomotive) gewann das Festival und seine Schützlinge belegten die ersten Plätze unter Debütanten: Monika Kiełkowicz, Dominika Kiełt und Anna Konopska (AKF „Mini-Film“) für „Entliczek Pentliczek“ (Ene mene) und Agnieszka Berlikowska, Iwona Janów und Andrzej Wawryka (AKF „Laterna magica“) für „Wielka gra“ (Großes Spiel). In einem fünfstündigen Gespräch, zu dem er nach Wrocław gekommen ist, berichtete Zawisza von seinem Selbstverständnis als Filmamateur und seiner Auffassung vom Amateurfilm als Magie, die in der Unvorhersehbarkeit eines kreativen Prozesses bestehe: man wisse nie, ob ein Film gelingt, und wenn ja, wie.

Visuelles Reisetagebuch von Cäcilia Wosnitzka II:
Während der Interviews in Wrocław hielt Cäcilia Wosnitzka zum zweiten Mal nach Chybie einige unserer Interview-Partner und ihre Schlüsselaussagen in gezeichneten Porträts fest:


Opole / Appendix Kędzierzyn-Koźle:
Während ihres Aufenthalts in Kędzierzyn-Koźle im August 2021 wurde Margarete Wach mit der Tatsache konfrontiert, dass die Hauptakteure der traditionsreichen AKFs „Groteska“ und „Alchemik“, die die Klubs in den 1970er und 1980er Jahren als Instrukteure leiteten, entweder wie Engelbert Kral, Anatol Filipiuk und Ireneusz Radź nicht mehr am Leben sind oder wie Jan Bartoszek und Andrzej Szopiński ihren Lebensort ins Ausland verlagert haben. Nur Bogusław Rogowski, der Anfang der 1960er Jahre AKF „Alchemik“ gegründet hat, wäre noch als Zeitzeuge zu befragen. Der Kontakt zu ihm bestand bereits – mehrere vorherige Interviewpartner hatten auf ihn als „lebendes Archiv“ verwiesen – , ein Gespräch konnte aus persönlichen Gründen bisher leider nicht stattfinden. Umso erfreulicher erwies sich der Umstand, dass nach langer Recherche doch noch ein wichtiger Akteur gefunden werden konnte: Roman Hlawacz, der 1964 AKF „Groteska“ gegründet und bis 1971 geleitet hat, bevor er dann berufsbedingt nach Opole umgezogen ist. Aus Termingründen wurde das sehr ergiebige Interview mit ihm, in dem v.a. der Zusammenhang zwischen den großen Industriebetrieben wie den Chemiewerken in Kędzierzyn-Koźle und den Arbeitsbedingungen der bei ihnen angesiedelten und von ihnen subventionierten Amateurfilmklubs beleuchtet wurde, in Wrocław per Skype geführt.


Warszawa 2:

FAKF/ FNTF:
Der zweite längere Aufenthalt in Warszawa fand ab Mitte August bis Mitte Oktober 2021 statt und war mehreren umfangreichen institutionellen wie auch archivarischen Recherchen gewidmet. Vorausgegangen waren mehrmonatige Vorrecherchen: Zum einen nach dem Archivstatus der Federacja Amatorskich Klubów Filmowych FAKF (Verband der Amateurfilmklubs), die nach der Wende in die Federacja Niezależnych Twórców Filmowych FNTF (Verband der Unabhängigen Filmschaffenden) umbenannt wurde. Mit dem plötzlichen „Covid 19“-Tod ihres langjährigen ehrenamtlichen Vorstandsvorsitzenden Witold Kon im Januar 2021 versiegten endgültig die Zugangsmöglichkeiten zu dem Verbandsarchiv in Warszawa. Es war nicht einmal klar, ob überhaupt noch ein Filmarchiv des Verbandes existiert und wo es angesiedelt sein könnte. In Frage kam auch Konin als Austragungsort des nationalen Amateurfilm-Festivals OKFA, das als das Paradeschiff der FAKF/FNTF galt und gilt. Erst mit der Wahl des neuen FNTF-Vorsitzenden Andrzej Przeździecki konnte Dr. Wach ab Mai 2021 über den AKF „Muza“ in Konin sukzessiv den Kontakt mit der Verbandsführung aufnehmen und sich final seine Unterstützung sichern. Zum anderen dauerte es Pandemie bedingt ein Dreivierteljahr, bis seit dem ersten Gespräch mit Leszek Boguszewski, dem Instrukteur von AKF „Sawa“, der Besuch dieses letzten, sehr traditionsreichen Filmklubs in Warszawa zustande kam.

Seit ihrer Gründung 1957 befindet sich der Sitz der FAKF (und heute der FNTF) in einem Gebäude-Komplex in Puławska-Str. 61, in dem auch die Filmoteka Narodowa (Nationale Kinemathek), die Bibliothek der Nationalen Kinemathek und mehrere renommierte Zespoły Filmowe (Filmgruppen) noch aus der Zeit der Volksrepublik Polen wie „Kadr“, „Tor“ oder „Zebra“ untergebracht sind/waren.

Dank des Entgegenkommens des Vorstandsmitglieds Czesław Kobierski und der Buchhalterin Ewa Pomorska, die als ansässige Warschauer und Bevollmächtigte des FNTF-Vorstandes uns über knapp eine Woche lang konkret den Zugang zu den Verbandsräumen in Puławska-Strasse 61 ermöglichten, konnte sich Margarete Wach und der sie abermals begleitende „Found Footage“-Regisseur Filip Jacobson der genauen Bestandsaufnahme und der Katalogisierung von Filmen der FAKF widmen. Gehoben worden ist dabei ein Fundus aus insgesamt 122 Kopien von 94 Filmen (einige Filme waren mit zwei oder sogar drei Kopien vertreten), darunter 19 8mm-Filme und 75 16mm-Filme. Bis 1989 war FAKF für die Verschickung der im Inland preisgekrönten Filme zu ausländischen Festivals verantwortlich, so dass die Klubs ihr mindestens eine Kopie des zur Auswertung im Ausland aspirierenden Films einschicken und überlassen mussten. Mit der Zeit ist so eine beachtliche, wenn auch unvollständige Sammlung der im In- und Ausland ausgezeichneter Amateurfilme entstanden.

FINA:
Infolge einer Gesetzesnovellierung der regierenden PiS-Partei kam es im Juni 2017 zur Fusion von Filmoteka Narodowa FN und Narodowy Institut Audiowizualny NInA (Nationales Audiovisuelles Institut), die in der Suprainstitution Filmoteka Narodowa – Instytut Audiowizualny (Nationale Kinemathek – Audiovisuelles Institut), FINA, zusammengefasst worden sind. Zu ihren Aufgaben gehören einerseits die Aufbewahrung des Filmerbes und Verbreitung der Filmkultur und andererseits die Archivierung und Verbreitung der wertvollsten Phänomene der Bild-, Musik- und Theaterkultur.

Im Gebäude der „alten“ Nationalen Kinemathek (Puławska-Str. 61) hatte Dr. Wach mehrfach die Gelegenheit, mit der Hauptkustodin der FINA, Grażyna M. Grabowska, zu sprechen, die die Erwerbung, Archivierung, Aufbewahrung und Digitalisierung des Filmerbes beaufsichtigt und sich auch mit der filmkulturellen Arbeit beschäftigt, etwa bei Veranstaltungen im Instituts eigenen Kino „Iluzjon“.

Erfreulicherweise hat FINA seit einigen Jahren begonnen, Amateurfilme, besonders die aus den AKFs zu sammeln. Als Ergebnis der Gespräche war eine Kooperation zwischen FINA und der Universität Siegen anvisiert, die die Zuführung der digitalisierten Amateurfilm- und Plakate-Bestände der FINA für die Zwecke der Homepage des Projektes „Visualisierungen des Unsichtbaren“ und für die wissenschaftliche Auswertung umfasste und im Gegenzug die Partizipation der FINA an dessen Recherche- und Forschungs-Ergebnissen beinhaltete. Nach der Hebung der 122 Filmkopien in den Verbandsräumen der FAKF/FNTF ergab sich aber eine neue Situation: In Gesprächen mit Mitgliedern des FNTF-Vorstands wurde klar, dass der Amateurfilm-Verband vorhat, nach einer Lösung zur sachgemäßen Aufbewahrung/ Archivierung dieser Bestände zu suchen. Auf Vermittlung von Margarete Wach kam es zu einem Treffehn von Grażyna M. Grabowska, Andrzej Przeździecki und ihr selbst, bei dem die Übergabe des FAKF-Filmfundus an die FINA und die wissenschaftliche Auswertung der so entstandenen Sammlung durch Dr. Wach verabredet wurden. Dafür sollen bilaterale Kooperationsverträge, FNTF/FINA und FINA/Uni Siegen, abgeschlossen werden.

Weitere Informationen zur FINA und FNTF.

WFDiF:
Um die analogen und digitalisierten Bestände der FINA zu sichten, u.a. die Sammlung des Amateurfilmklubs Twórczy Warsztat Filmowy (Kreative Filmwerkstatt) TWF „Kineskop“ oder AKF „Śląsk“ besuchte Margarete Wach zweimal die Wytwórnia Filmów Dokumentalnych i Fabularnych (Dokumentar- und Spielfilmstudio) WFDiF. Ein Studios- und Werkstätte-Gelände in Chełmska-Strasse 21, auf dem sich auch das Magazin des Filmrepositoriums sowie die Sichtungsräume der FINA befinden. Aus diesem Anlass kam es zu einem Wissens- und Erfahrungsaustausch mit der Filmwissenschaftlerin und zuständigen Konservatorin Paulina Haratyk, die an einer Dissertation über die Amateurfilmbewegung in Polen arbeitet und im Rahmen des Stipendienprogramms „Kultura w sieci“/ „Kultur im Netz“ des polnischen Kulturministeriums die Internetseite „Film Amatorski PL“ realisiert hat, die sechs Interviews mit Filmamateuren zum Thema „Wer sei ein Amateur?“, Informationen über Home Movie Day Warszawa, filmkulturelle und edukatorische Arbeit/ Veranstaltungen sowie 14 Amateurfilme aus den Jahren 1957-2017 enthält.

FINA-Bibliothek:
Zwei Wochen lang stellte Margarete Wach eine eingehende Recherche in den Buch-, Zeitschriften-, Ratgeberliteratur-, Katalogen-, Jubiläumspublikations- und Broschüren-Beständen der Bibliothek der Nationalen Kinemathek an, tatkräftig wie ideell unterstützt vom Leiter der Bibliothek Adam Wyżyński.

IPN in Warszawa:
Am Instytut Pamięci Narodowej IPN/ Institut des Nationalen Gedenkens Warszawa, der die beantragten Akten aus seinen Niederlassungen in ganz Polen (Wrocław, Katowice, Gdańsk, Kraków etc.) beschaffen hat, betrieb Dr. Wach über eineinhalb Monate eine ausgiebige Aktenrecherche. Angesiedelt im Gebäudekomplex des Obersten Gerichts ist IPN ein Pendant der deutschen Behörde des Beauftragten für Stasi-Unterlagen. Allerdings ist seine Struktur viel größer und komplexer, da das Institut neben der Zentrale in der Hauptstadt zahlreiche Außenstellen in den Großstädten des Landes unterhält und außer der Verwaltung und Auswertung der Akten der kommunistischen Nachrichtendienste – Urząd Bezpieczeństwa (UB, Sicherheitsamt), ab 1956 Służba Bezpieczeństwa (SB, Sicherheitsdienst) – zwei weitere Bereiche zu seinen Aufgaben zählen: politische Bildung und die Durchführung staatsanwaltschaftlicher Ermittlungen zu nationalsozialistischen und kommunistischen Verbrechen in Polen.

Unter den einigen Dutzend Akten, die im IPN gehoben werden konnten, befinden sich Berichte über minuziöse Überwachungsoperationen zu Amateurfilmfestivals und der sie besuchenden Gäste aus dem westlichen Ausland; Indizienprotokolle über Amateure als angebliche Spione; Führungsakten von Klubmitgliedern, FAKF-Funktionären und AKF-Instrukteuren, die als Innoffizielle Mitarbeiter angeworben wurden, oder Akten, die den durch Staatsorgane verhinderten Versuch dokumentieren, einen AKF in eine unabhängige, aus Mitgliedsbeiträgen selbstfinanzierte Vereinigung zu überführen.

Bielany – AKF „Sawa“:
Zwischen 1968-2010 beherbergte das Gebäude des im Zweiten Weltkrieg zerstörten Krankenhauses des Heiligen Geistes in Elektoralna-Strasse 12 AKF „Sawa“, den einzigen noch existierenden Klub in der Hauptstadt. Heute befindet sich hier Mazowiecki Instytut Kultury MIK (Kulturinstitut der Region Masowien). Nach 42 Jahren musste der AKF „Sawa“ aufgrund einer administrativen Reform 2010 seinen Stammsitz verlassen und fand in der Öffentlichen Bibliothek des etwas entlegenen Stadtteils Bielany auf Initiative ihres Direktors, des FNTF-Vorsitzenden Witold Kon, ein Asyl.

Bis zur Corona-Pandemie 2020 war AKF „Sawa“ einer der ältesten, noch aktiven Amateurfilmklubs in Polen, dessen Instrukteur Leszek Boguszewski seit 1975 im Amt ist und dazu beigetragen hat, dass der Klub eine „staatstragende“ Rolle in der Geschichte des nationalen 8mm-Festivals POL-8 in Polanica Zdrój gespielt hat, zu dessen 50jährigem Jubiläum er ein sehr informatives Buch verfasst hat. Nach monatelangen Bemühungen gelang es Dr. Wach den Klub im Untergeschoss der Bibliothek in Bielany zu besuchen, mit Leszek Boguszewski einige seiner im In- und Ausland mit Preisen überhäuften Amateurfilme zu sichten und ein mehrstündiges Interview mit ihm zu führen.


Mysłowice/Sosnowiec: Auf der Suche nach dem AKF „im. Andrzeja Munka“ in Sosnowiec, von dem jegliche Spur zu fehlen schien, gelang es Margarete Wach im August 2021 den Kontakt mit Jacek Turalik herzustellen, der heute das Filmprogramm des Städtischen Kulturzentrums in Mysłowice verantwortet. Turalik trat in den 1970er und 1980er Jahren als Laiendarsteller in den Filmen von Jan Janusz Bujak auf, dem Leiter des in den 1960er Jahren gegründeten AKF „Sosnowiec“. Später benannt nach dem führenden Vertreter der Polnischen Schule, Andrzej Munk („Eroica“, 1957; „Schielendes Glück“, 1960; „Passagierin“, 1963), galt der AKF in Sosnowiec als die Produktionsstätte für ambitionierte Autorenfilme, vorrangig für Spieldramen um Geschlechterfragen und Unangepasstheit. Im Kriegszustand 1981 wurden das Equipment und die Filme des Klubs, wie Jacek Turalik in einem Gespräch Margarete Wach berichtete, wegen des politischen Engagements seines Leiters von der Staatssicherheit requiriert und Bujak für ein halbes Jahr interniert. 1984 emigrierte er in die USA, nachdem der Versuch, den Klub in einen selbstfinanzierten und unabhängigen Verein zu überführen, nicht die gewünschten Resultate erbracht hatte. Damit ist AKF „im. Andrzeja Munka“ aus Sosnowiec wohl das prägnanteste Beispiel für die Überwachung der Klubs durch den Staatssicherheitsdienst und die restriktiven Konsequenzen im Fall einer unbotmäßigen Filmproduktion, was sich über Aktenrecherchen in Archiven des Instytut Pamięci Narodowej IPN/Institut für Nationales Gedenken, der polnischen Stasiunterlagen-Behörde, in Katowice und Warschau belegen lässt.


Kędzierzyn-Koźle: Eine Doppelstadt in der Wojewodschaft Opole, über Jahrzehnte einer der Standorte der Chemieindustrie in Polen, in der ein Denkmal für Filmamateure steht:

In Kędzierzyn-Koźle waren, angesiedelt bei den beiden Industriekombinaten der Stadt, zwei der wichtigsten Amateurfilmklubs aktiv: AKF „Groteska“ bei Zakłady Chemiczne „Blachownia“/ Chemische Betriebe „Blachownia” und AKF „Alchemik“ bei Zakłady Azotowe Kędzierzyn/ Stickstoffbetriebe Kędzierzyn. Beide Klubs, gegründet Ende der 1960er Jahre, existieren nicht mehr. Die Stadt hat aber ihr materielles Erbe in einem gemeinsamen Museum aufbewahrt – in Sala Muzealna Amatorskiego Ruchu Filmowego PROJEKTOROWNIA (Musealsaal der Amateurfilmbewegung PROJEKTRAUM).

In Begleitung des Kölner „Found Footage“-Regisseurs Filip Jacobson besuchte Dr. Wach Anfang August 2021 sowohl das Städtische Kulturzentrum MOK, ehemals Sitz des AKF „Groteska“, als auch die PROJEKTOROWNIA im Kulturhaus „Lech“ im Stadtteil Blachownia.

Das kleine Museum versammelt Film- und Tonaufnahmegeräte, Preise, Diplome, Fotos, Festivalplakate, Filmrollen und Figurenkomponenten aus Animationsfilmen, Sticker, Buttons, Mitgliederlisten und Dokumente beider Klubs. Filip Jacobson hat sie in einer umfassenden fotografischen Dokumentation festgehalten, folgend einige Beispiele:

Miejski Ośrodek Kultury/Städtisches Kulturzentrum MOK in Kędzierzyn-Koźle richtet bis heute alljährlich das Internationale Festival des Engagierten Amateurfilms „Publicystyka“ (/Publizistik) aus, auch ein Erbe der beiden Amateurfilmklubs. Im Gespräch mit seiner Leiterin Ariadna Miernicka und dem Direktor des MOK, Piotr Gabrysz, verabredete Margarete Wach eine Zusammenarbeit des MOK mit der Universität Siegen. Demzufolge wird MOK der Homepage des Projekts „Visualisierungen des Unsichtbaren“ digitalisierte Filme der AKFs „Groteska“ und „Alchemik“ und das noch vorhandene Archivmaterial überlassen.


Katowice/Mikołów: Die nächste Etappe der Forschungsreise durch Oberschlesien führte Margarete Wach Ende Juli 2021 nach Katowice, wo sie Kontakt mit Wojciech Szwiec aufnahm, der bis vor Kurzem den AKF „iks“ in Mikołów leitete, in dem u.a. die ökologischen Amateurfilme von Leon Wojtala entstanden sind. Im Gespräch mit ihm erhielt sie viele wertvolle Hinweise und erfuhr, dass Szwiec als „Erbverwalter“ der Filmbestände vom AKF „iks“ diese der Filmoteka Śląska/Schlesische Kinemathek überlassen hat, um deren materiellen Fortbestand und Zugänglichkeit zu sichern.

Dank einer Förderung der Europäischen Union sammelt, reinigt, restauriert und digitalisiert Filmoteka Śląska zurzeit von Privatpersonen eingereichte und in ihre Bestände institutionell übertragene Amateurfilme aus Katowice und der Region, um sie sukzessiv bis Ende 2023 als ein visuelles und kulturelles Gedächtnisarchiv Oberschlesiens auf dem Internetportal „Śląskie Digitarium“ öffentlich verfügbar zu machen.

Während der Restaurierung werden auch unbekannte oder verlorengeglaubte Filme entdeckt. Dazu geklebt auf 8mm-Rollen wie „Jak w ulu“/„Wie in einem Bienenstock“ (1970er Jahre, AKF „iks“) über das alltägliche „Straßengewusel“ in der Bergbau-Metropole Katowice.

In Katowice besuchte Margarete Wach die Filmoteka Śląska und traf ihren Leiter Andrzej Tuziak, selbst in früheren Jahren Filmamateur, um mit ihm über das Projekt „Śląskie Digitarium“, das digitale Archiv der Amateurfilme, zu sprechen.

Bei der Gelegenheit verabredete Dr. Wach mit Andrzej Tuziak eine offizielle Zusammenarbeit zwischen den Medienwissenschaften/ Lehrstuhl für Mediengeschichte und visuelle Kultur der Universität Siegen und Filmoteka Śląska. In deren Rahmen wird Filmoteka Śląska dem digitalen Archiv auf der Homepage des Projektes „Visualisierungen des Unsichtbaren“ den Zugang zu ihren digitalisierten Amateurfilmen gewährleisten, darunter von AKF „iks“.


Chorzów: In Górnośląski Park Etnograficzny w Chorzowie/ Oberschlesischer Ethnografischer Park in Chorzów interviewte Margarete Wach Antoni Kreis, den Mitbegründer und Leiter des AKF „Chorzowska Ósemka“/ „Chorzower Achter“ und heute wissenschaftlicher Mitarbeiter des ethnografischen Museums der Stadt. Kreis gehört noch zu den unmittelbaren Akteuren der Amateurfilmbewegung in der Volksrepublik Polen und hat sich mit seinen politisch relevanten und mehrfach preisgekrönten Animationsfilmen in den 1970er und 1980er Jahren ein hohes Renommee in der Filmamateur-Community erworben.

Das Gespräch mit Kreis brachte viele spannende Erkenntnisse zum Umgang der Filmamateure mit der Zensur in PRL und ihren filmischen Praktiken. Antoni Kreis hat sich auch bereit erklärt, Archivmaterial, Dokumente, Fotos und Filme, aus seiner privaten Sammlung für das Projekt zu digitalisieren und zur Verfügung zu stellen, darunter auch Zensur-Protokolle:


Kraków 1: Im Rahmen des Stipendienprogramms „Kultura w sieci“/ „Kultur im Netz“ des polnischen Kulturministeriums entstand die Internetseite „AKF Nowa Huta“, gewidmet der Geschichte und den Filmen des gleichnamigen Amateurfilmklubs im Krakauer Stadtteil Nowa Huta. Einer kommunistischen Planstadt um das in der Stalinzeit erbaute größte Hüttenkombinat des Landes. Ihr Autor Krzysztof Ridan, Sohn eines der Mitbegründer und wichtigsten Akteure des Klubs Jerzy Ridan, hat sowohl das Privatarchiv seines Vaters als auch die Bestände des Klubarchivs herangezogen, die in der Abteilung für Fotografie und Film des Nowohuckie Centrum Kultury/ Kulturzentrums Nowa Huta verwahrt werden. Die Website enthält neben Interviews mit Zeitzeugen u.a. 25 digitalisierte Filme, darunter Arbeiten von Jerzy Ridan und dem später international renommierten Filmregisseur Krzysztof Zanussi, mit dem Dr. Wach bereits in Warschau sprach.

In Kraków besuchte Margarete Wach Krzysztof Ridan an seinem Arbeitsplatz im Gebäude des Polnischen Fernsehens TVP, in dem das Regionalstudio TVP 3 Kraków untergebracht ist.

Ridan berichtete im Interview aus der Geschichte des Klubs und über seine Bedeutung bei der Gründung des TVP-Regionalsenders Kraków, dessen Kameramänner und Dokumentaristen sich aus dem Amateurfilmklub rekrutierten, u.a. auch sein Vater Jerzy Ridan. Dr. Wach und Krzysztof Ridan verabredeten eine Kooperation, in deren Folge Ridan die ihm zur Verfügung stehenden Archivmaterialien und Filme von seiner Website zugänglich machen wird.


Chybie: Knapp drei Wochen im Juli 2021 dauerten die Recherchen in Chybie, dem Sitz des AKF „Klaps“, des ersten Amateurfilmklubs in einem Dorf. Im Dorf Chybie in Südpolen mit heute 3.700 Einwohnern, unweit der tschechischen und slowakischen Grenze. Der Klub galt in der VR Polen als Produzent eines „erotischen Provinzkinos“, war sehr erfolgreich bei nationalen und internationalen Amateurfilmfestivals und Austragungsort des von seinen Mitgliedern Anfang der 1970er Jahre initiierten Spielfilmfestivals für Amateure „Fabuła“ (/Fiction), das zu einem wichtigen Treffpunkt für AKFs aus ganz Polen, auch mit professionellen Regisseuren avancierte. Die Jury-Teilnahme von Krzysztof Kieślowski 1977 führte zu einer langjährigen Verbindung des später weltbekannten Regisseurs mit „Klaps“ und seinem Leiter Franciszek Dzida, der das Vorbild zu Kieślowskis Protagonisten im Spielfilm „Amator“ („Filmamateur“, 1979) war. „Klaps“ gehört zu den wenigen Klubs, die die Transformationszeit unbeschadet überstanden und eigene Geschichte sehr gut dokumentiert haben. Auf dem Portal „Gminne Archiwum Cyfrowe“ (Lokales Digitalarchiv), wurden gerade die Bestände seines Filmarchivs, zusammengetragen und aufbewahrt seit 50 Jahren (8mm-, 16mm- und Video-Filme, Fotografien, Negative etc.), bearbeitet, digitalisiert, gesichert und kostenlos zur Verfügung gestellt, darunter allein über 70 Dokumentarfilme. An die 40 Spielfilme sollen in Kürze folgen.

Der heutige Leiter des AKF „Klaps“ und des lokalen Kulturhauses, Gminny Ośrodek Kultury (GOK) in Chybie, Rafał Cymorek, sowie seine Mitarbeiterin Anna Zachurzok haben Margarete Wach und ihrer Mitarbeiterin Cäcilia Wosnitzka das gesamte Klubarchiv (Dokumente, Statute, Korrespondenzen, Einladungen, Plakate, Kroniken, Fotos und das umfangreiche Filmarchiv mit ca. 120 Filmen und 10 Dokumentationen über „Klaps“ und Franciszek Dzida) zur Auswertung überlassen, selbst Interviews erteilt und mit Informationen und Rat gedient.

Ein Gruppengespräch mit den noch lebenden „Klaps“-Mitgliedern der ersten Stunde fand während ihres allwöchentlichen Treffens an jedem zweiten Dienstag im Monat.

Am 17. Juli nahmen die Forscherinnen auch an dem 22. Filmpicknick im Amphitheater der Gemeinde Chybie, bei dem die Produktionen des Klubs vorgestellt werden, teil.

In der zweiten Woche erfolgte der Besuch im Magazin des Klubs, in dem u.a. die Plakate und die gedruckten Ankündigungen des Festivals „Fabuła“, der einzelnen Filme und anderer Veranstaltungen während der aktuellen Instandsetzung der Klubräume ausgelagert sind. Bei einer umfassenden Sichtung dieses visuellen Archivmaterials führte Anna Zachurzok Margarete Wach durch die Bestände.

In derselben Woche führte Margarete Wach mehrere individuelle Interviews mit den „Klaps“-Mitgliedern durch, die im Klub seit seiner Gründung 1969 in verschiedenen Funktionen aktiv waren. Jan Dzida, Kameramann und oft auch Koautor mehrerer Filme seines Bruders Franciszek Dzida zeigte Margarete Wach bei dieser Gelegenheit seine Foto-Arbeiten, darunter großformatige Porträt-Aufnahmen der Laien-Darstellerinnen ihrer gemeinsamen Filme aus den 1970er Jahren.

Im Gespräch mit Kazimierz Pudełko, neben Franciszek Dzida und Józef Orawiec einem der Mitbegründer des Klubs, ging es vor allem um seinen Einsatz als Laien-Darsteller und Protagonist vieler Spielfilme seiner Kollegen und Kolleginnen.

Dank Danuta Ryszka, die über Jahrzehnte für die Ausrichtung des Filmfestivals „Fabuła“ und der meisten Veranstaltungen des Klubs verantwortlich war, konnte Margarete Wach Informationen zu den institutionellen, administrativen und politisch-gesellschaftlichen Hintergründen in der Geschichte von „Klaps“ sowie zum Umgang mit der Filmzensur erhalten.

Mit Barbara Lach gelang es Margarete Wach auch die einzige Frau in der Klub-Geschichte zu befragen, die als Regisseurin zwei Filme realisiert hat, „Zabawy“ („Spiele“, 1970er Jahre) und „Kasztany“ („Kastanien“, 1970).

Weitere Information zum AKF Klaps: hier.

Während der Interviews in Chybie entstand ein visuelles Reisetagebuch von Cäcilia Wosnitzka, die einige unserer Interview-Partner*innen und ihre Schlüsselaussagen in gezeichneten Porträts festhielt:


Warszawa 1: Auf Vermittlung des Nestors des polnischen Dokumentarfilms, Marcel Łoziński, führte Margarete Wach in Warschau Interviews mit zwei renommierten Dokumentaristen, deren Arbeiten um Archivfunde und Amateurfilme kreisen. Maciej Drygas hat in Zusammenarbeit mit dem Muzeum Sztuki Nowoczesnej/Museum der Zeitgenössischen Kunst in Warschau das Projekt „Polskie Archiwum Filmów Domowych“/ “Polnisches Archiv der Home Movies“ auf den Weg gebracht und setzt in seinen eigenen Found Footage-Filmen Amateurfilme ein. Maciej Cuske initiierte in seiner Heimatstadt Bydgoszcz die Errichtung eines regionalen Filmarchivs, in dem die in Bydgoszcz gehobenen Amateurfilme seit den 1930er Jahren bis heute eindigitalisiert und versehen mit verfügbaren Informationen ins Online-Archiv gestellt werden – „Bydgoszcz na taśmie“ / „Bydgoszcz auf Zelluloid“. Beide Archive bergen unschätzbares Amateurfilm-Material, das seiner wissenschaftlichen Aufarbeitung noch harrt.

Als Ergebnis des künstlerischen Forschungsprojektes „Entuzjaści z Amatorskich Klubów Filmowych“ / “The Enthusiasts“ von Marysia Lewandowska und Neil Cummings und der gleichnamigen Ausstellung 2004 im CSW Warszawa/Centre of Contemporary Art entstand das Archiwum Entuzjastów/The Enthusiasts Archiv, angesiedelt als Online-Archiv auf der Website von Muzeum Sztuki Współczesnej/Museum der Zeitgenössischen Kunst in Warschau. Das Archiv enthält über 50 Amateurfilme aus einem Dutzend von Amateurfilmklubs, Fotos, Dokumente, Plakate und andere Artefakte visueller Kultur sowie eine Fotodokumentation der Ausstellung im CWS, die bis 2006 noch in London, Berlin und Barcelona präsentiert wurde und auch in der National Gallery of Art in Washington dokumentiert ist. Es gelang eine Kooperation mit dem Muzeum Sztuki Współczesnej in Warschau und der polnisch-britischen Künstlerin Marysia Lewandowska einzugehen, um ihr Archivmaterial aus der Ausstellung und die Amateurfilme des Enthusiasten-Archivs in dem Projekt erforschen/einsetzen zu können.

In einem Interview mit dem international renommierten Regisseur und Produzenten Krzysztof Zanussi befragte Margarete Wach ihn zu seinen Anfängen in diversen Warschauer Amateurfilmklubs in der 2. Hälfte der 1950er Jahre und insbesondere zu seinem Wirken in dem AKF „Nowa Huta“ in der sozialistischen Planstadt Nowa Huta Anfang der 1960er Jahre, das ihn auf Umwegen zum Filmstudium in Łódź und in die Filmbranche führte.


Konin: Im Mai 2021 erfolgte der Besuch im AKF „Muza“ in Konin. In der Volksrepublik Polen gehörte die Stadt zu den größten Industriezentren des Landes. Die hohe Konzentration von Betrieben der Schwerindustrie (Aluminiumhütte, Tagebaugrube, Maschinenbau), der Energie-, Öl- sowie Textilwirtschaft prägte nicht nur ihr Erscheinungsbild, sondern brachte der Stadt auch mehrere, zum Teil imposante Kulturhäuser ein, für jede Branche ihr eigenes. Centrum Kultury i Sztuki „Oskard“ (Kultur- und Kunstzentrum „Oskard“) fungiert heute als der ständige Austragungsort des traditionsreichen nationalen Amateurfilm-Festivals OKFA (Ogólnopolski Konkurs Filmów Amatorskich), dessen Anfänge bis ins Jahr 1953 zurückreichen.

Im Koniński Dom Kultury/ Kulturhaus der Stadt Konin erteilte der künstlerische Betreuer von AKF „Muza“, Andrzej Moś, Margarete Wach ein zweitägiges Interview und präsentierte ihr das umfangreiche Foto-, Dokumente- und Filmarchiv des Klubs. Darunter die Chronik des langjährigen Instrukteurs von AKF „Muza“, Józef Szyk:

Bei dieser Gelegenheit entstand ein Interview (in polnischer Sprache) von Joanna Sypniewska, verantwortlich für die Pressearbeit vom Koniński Dom Kultury (Kulturhaus Konin), mit Margarete Wach zu ihrem Projekt über die Amateurfilmbewegung in Polen. Final stellte Andrzej Moś noch im großen Umfang digitalisierte Amateurfilme, Fotos und Chroniken des Klubs zur Auswertung im Rahmen des Projektes bereit.


Poznań 1 + 2:

Während der Rechercheaufenthalte in Poznań 2020 und 2021 führte Dr. Margarete Wach Interviews mit den Mitgliedern des Amateurfilmklubs AKF „AWA“ durch. Darunter mit Prof. Dr. Mikołaj Jazdon (Institut für Film, Medien und audiovisuelle Künste/Adam-Mickiewicz-Universität Poznań), und den Filmemachern, Kameramännern, Filmdozenten und Kulturanimateuren Piotr Majdrowicz und Janusz Piwowarski, die über längere Zeitstrecken Instruktoren des Klubs waren; außerdem mit dem Medienwissenschaftler Prof. Dr. Marcin Adamczak (Institut für Kulturwissenschaften/Adam-Mickiewicz-Universität Poznań, Filmhochschule Łódź). Zu den weiteren, aus heutiger Sicht wichtigen Mitgliedern des Klubs in den 1970er Jahren gehörten Zdzisław Zinczuk und Jerzy Jernas, Autoren vieler preisgekrönter Produktionen, sowie Róża Wojta, die später im Fernsehen TVP Poznań gearbeitet hat. Wojta war zwischen 1975-1976 Instruktorin des Klubs und blieb ihm beratend über Jahrzehnte eng verbunden.

In folgenden individuellen Gesprächsrunden kam es zur Sichtung der privaten Amateurfilmsammlung von Piotr Majdrowicz, dessen Filme unzählige Preise bei nationalen und internationalen Amateurfilmfestivals erhalten haben und der Gründer des Festivals „Off Cinema“ in Poznań war, und zur Hebung archivalischen Materials mit Janusz Piwowarski im Archiv des AKF „AWA“ im Centrum Kultury/Kulturzentrum „Zamek“ im Posener Kaiserschloss.

Marcin Kęszycki, Schauspieler und seit 1979 Mitglied des legendären alternativen Theaters „Teatr Ósmego Dnia“ (Theater des Achten Tages), der 1971 zu den Mitbegründern des AKF „AWA“ gehörte, konnte in einem weiterführenden Interview zu den Anfängen der Amateurfilmbewegung in Poznań und ihrer verdeckten Überwachung durch Staatssicherheitsorgane befragt werden.